Die Wahl zwischen Pest und Cholera

In Kroatien siegen Konservative vor Sozialdemokraten. Die Verelendungspolitik geht weiter.

Von Yannic Dyck , BrA Göttingen

Kroatien wählt den Stillstand. Bei den Parlamentswahlen vor einer Woche konnte die rechtskonservative HDZ 59 der insgesamt 151 Sitze erringen. Die nationalistische HDZ wurde im Wahlkampf u.a. von Viktor Orban und der deutschen CDU unterstützt. Der Partei des ehemaligen Geheimdienstchefs Tomislav Karamarko gelang es, sich vor allem mit Hetze gegen Flüchtende und Abschottungsforderungen zu profilieren. So forderte die HDZ u.a. die Grenzen für Flüchtlinge dichtzumachen und militärisch zu sichern. Angesichts der menschenverachtenden Grenz„schutz“politik von Nachbarstaaten wie Ungarn ist Kroatien für Schutzsuchende, die über die Balkanroute fliehen, jedoch einer der letzten Fluchtwege nach Nord- und Mitteleuropa geworden. Sollte es die HDZ schaffen, eine Regierungsmehrheit zu organisieren und ihre Drohgebärden gegenüber Flüchtlingen in die Tat umsetzen, würde sich angesichts der dann vollkommen geschlossenen Fluchtwege eine humanitäre Katastrophe mitten in Europa anbahnen.

Das im bisherigen Ministerpräsidenten Zoran Milanović personifizierte kleinere Übel der sozialdemokratischen SDP kam unteressen auf 56 Sitze. Durch neoliberale Sparmaßnahmen, eine Deregulierung des Arbeitsmarkts, Privatisierungen und Kürzungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge hat die SDP die kroatische Arbeiterklasse noch weiter in den Abgrund gestürzt. 20-30% Arbeitslosigkeit (die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar bei 40-50%), Lohndumping und rapide wachsende Armut in weiten Teilen des Landes kennzeichnen ihre Regierungsbilanz. Als Spielball wirtschaftlicher und politischer Machtinteressen der EU-Hegemonialmächte hat sich die SDP auf Druck von Troika und ausländischen Banken und Konzernen zu Spar- und Kürzungsmaßnahmen verpflichtet. Nur durch gewerkschaftlichen Druck konnten noch schlimmere Privatisierungsorgien bis zur Parlamentswahl am vergangenen Wochenende verhindert werden. Nun, da der Druck der anstehenden Neuwahlen wegfällt, ist davon auszugehen, dass die neue Regierung (egal wer sie letztendlich anführen wird) die Diktate der EU noch brutaler als bisher umsetzen und die EU-Kolonie Kroatien weiter destabilisieren wird.

Zünglein an der Waage wird die neue neoliberale Partei Most („Brücke“) sein. Sie konnte sich aufgrund der von Konservativen und Sozialdemokratie zu verantwortenden Sparpolitik im Interesse der Eliten in Kroatien und der EU als Alternative darstellen und somit 19 Parlamentssitze erringen. Die sich als Reformpartei inszenierende Most zog mit Forderungen nach der Wiederherstellung von Wettbewerbsfähigkeit in den Wahlkampfund setzte vor allem auf die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den etablierten Parteien. Praktisch unterscheidet sie sich jedoch kaum von SDP und HDZ, da auch sie Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierungen vorantreiben wird. Unklar bleibt, ob sich die Most auf eine Koalition mit den Parteien einlassen wird, als deren Alternative sie sich ausgibt. Von den 19 gewählten Abgeordneten sollen – neusten Informationen zufolge – bereits vier Politiker*innen zurückgetreten sein. Hintergrund war ein geheimes Treffen zwischen Most-Spitzenmann und Ex-HDZ-Politiker Drago Prgomet und Premierminister Zoran Milanović. De facto besteht die Partei aus einem SDP-nahen sowie einem HDZ-nahen Flügel. Der jetzt entbrannte Richtungsstreit könnte zur Spaltung führen, indem die jeweiligen Flügel sich der HDZ und SDP anschließen würden. Aber auch eine Beilegung der Streitigkeiten und eine Regierungsbeteiligung bzw. die Tolerierung einer Minderheitenregierung sind denkbar.

So oder so: Die Leittragenden werden die kroatischen Arbeiter*innen, Rentner*innen und Jugendlichen, die jetzt schon mangels Perspektiven zu Scharen das Land verlassen, sein. Die EU-Diktate werden alle drei Parteien umsetzen. Damit droht sich die Lage weiter zu verschlimmern. Kroatien könnte zu einem zweiten Griechenland werden. Linke, sozialistische Alternativen sind rar, Antifaschist*innen haben mit Repression, Anfeindungen und Gewalt zu kämpfen. Nationalistische, rassistische und antiziganistische Einstellungen sind weit verbreitet und erhalten angesichts der rechten Hetze der HDZ und reaktionär-klerikaler Kräfte sowie der prokapitalistischen Sparpolitik des bürgerlichen Parteienkartells weiteren Auftrieb. Die starke Ablehnung des neoliberalen, undemokratischen und militaristischen Projekts EU wird weitgehend von rechts besetzt und mit nationalistischen Parolen beantwortet.

Doch der gewerkschaftliche Druck im vergangenen Jahr gegen den Ausverkauf der noch vorhandenen Staatsbetriebe der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik macht auch Mut. Die Gewerkschaften diskutierten damals die Möglichkeiten eines Generalstreiks oder eines Referendums. Sie konnten so Druck auf die SDP-Regierung ausüben und die Privatisierungen vorerst verhindern. Die multiethnischen und multireligiösen sozialen Proteste im Nachbarland Bosnien-Herzegowina vom letzten Jahr, als abertausende Menschen auf die Straßen gingen, Parlamentsgebäude stürmten und gegen Massenarbeitslosigkeit, Armut, menschenunwürdige Bezahlung, Privatisierungen, Korruption und all die weiteren Auswüchse des Kapitalismus und für einen Systemwechsel protestierten, zeigen zudem welche Kraft die Arbeiterklasse in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens besitzt, wenn sie vereint gegen ihre Unterdrücker kämpft. Diese Proteste können ein Vorbild für die kroatische Arbeiterklasse sein, sich nicht weiter anhand ethnischer und religiöser Linien spalten und aufhetzen zu lassen und als Klasse gegen das kroatische Kapital und den EU-Imperialismus anzukämpfen. Hierzu braucht es eine revolutionär-sozialistische Organisation, die linke, antikapitalistische Perspektiven aufzeigt. Währenddessen muss unsere Aufgabe hier in Deutschland – im Herzen der Bestie- sein, dem deutschen Imperialismus, der rassistischen Asylpolitik der Bundesregierung und den Spardiktaten von Merkel, Schäuble und Co. Widerstand entgegenzusetzen.

Solidarität mit OM10 !

Die Basisgruppe revolutionärer Antikapitalist*innen – Linksjugend [solid] solidarisiert sich mit den Besetzer*innen der OM10 .

Studierende, Arbeitssuchende, Geflüchtete und Menschen mit geringem Einkommen leiden seit Jahren in Göttingen unter unbezahlbaren Mieten und Wohnungsknappheit. Insbesondere Refugees mussten in den letzten Monaten unter menschenunwürdigen Bedingungen in Turnhallen und überfüllten Lagern leben. Das Versagen der städtischen Wohnungspolitik zeigt mal wieder, dass nur Selbstorganisation und –ermächtigung den Zuständen hier etwas entgegensetzen können. Im Angesicht ihrer eigenen katastrophalen Politik der letzten Jahre sollten die Verantwortlichen der Stadt Göttingen die Forderungen des Projekts nach sofortiger Nutzbarmachung von leerstehendem Wohnraum und einer Offensive beim sozialen Wohnungsbau erfüllen!

Sowohl beim Aufbau als auch bei der Verteidigung von selbstorganisierten Freiräumen sind wir auf eurer Seite!

Kein Stellenabbau bei Zeiss in Göttingen! Demobericht:

Bericht der Göttinger Linksjugend, Basisgruppe Revolutionärer Antikapitalist*innen

Am 31.10.2015 waren wir mit unserer Basisgruppe auf der Demonstration der IG Metall gegen den geplanten Stellenabbau am Standort Göttingen. Am Startpunkt Schützenplatz hatten sich ca. 650 Teilnehmer eingefunden, um sich solidarisch mit den Beschäftigten zu zeigen!

Die Demo endete am Jacobikirchhof mit einer Kundgebung. Die geplante Rede unseres Genossen Manuel Dornieden wurde leider kurzfristig mit der Begründung des Zeitmangels gestrichen. Sehr zu unserem Unmut, da alle Redebeiträge ein kämpferisches Profil vermissen ließen und die SPD bei ihrer Rolle der Standortabwicklung auf Raten in keiner Weise kritisierten! Der Ratsherr der LINKEN sprach sich aber als einziger Redner für den Erhalt aller Arbeitsplätze am Standort Göttingen aus. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft sollten nun den Mut aufbringen, bei Nichterfüllung der Forderung in den Streik zu treten, und die Kolleg*innen mit aller Kraft zu vertreten. Der Samstag sollte allen Beschäftigten Mut gemacht haben, was möglich ist, wenn die Gewerkschaften in Kombination mit dem Betriebsrat ihr Potential der Mobilisierung ausnutzen! Und wenn das auch noch auf andere Zeiss-Standorte übergreift, wird die Solidarität zu einer Waffe!

Der Fall Zeiss zeigt aber mal wieder, dass Betriebe trotz sprudelnder Gewinne zugunsten der Profitmaximierung immer wieder Stellen streichen werden. Deshalb treten wir für die Überführung in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft ein.

Hier die gestrichene Rede unseres Genossen Manuel Dornieden:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Manuel Dornieden und möchte euch die solidarischen Grüße der Göttinger Linksjugend und der Sozialistischen Alternative überbringen. Als sozialistischer Jugendverband unterstützen wir den Kampf der Zeiss-Belegschaft für den Erhalt des Göttinger Standortes mit allen Arbeitsplätzen und Funktionsbereichen. Dafür haben wir uns aktiv an der Unterschriftensammlung beteiligt.

Die Kahlschlag-Pläne der Geschäftsführung gefährden nicht nur mehr als 400 Stellen bei Zeiss-Göttingen, sondern auch die vieler Zulieferbetriebe. Selbst wenn es nicht zu massenhaften Kündigungen kommt: Jeder gestrichene Arbeitsplatz ist ein Arbeitsloser mehr in unserer Stadt!

Ohne Industriebetriebe und die Wertschöpfung ihrer hochqualifizierten KollegInnen fehlt noch mehr Geld in den Kassen der Kommune. Ohne sie hat auch die Wissenschaft und die Jugend in dieser Stadt keine Zukunft.

Da hier auch ein Vertreter der SPD gesprochen hat, sei ein Hinweis auf ihre gestern veröffentlichte Resolution zu Zeiss gestattet: Mit der Forderung, daß (Zitat) “die verbleibenden 240 Stellen gesichert werden sollen”, akzeptiert die Göttinger SPD ausdrücklich die Pläne der Geschäftsführung zur Vernichtung von 450 der bisher 690 Arbeitsplätzen bei Zeiss Göttingen. Im Namen der Erhaltung des Standortes soll er mit dem Segen der SPD faktisch plattgemacht werden. Das sind, mit Verlaub, zynische Hilfsdienste für die Unternehmer!

Umso notwendiger ist nicht nur der Widerstand der unmittelbar betroffenen Zeiss-Belegschaft und der IG Metall, sondern auch deren öffentliche Unterstützung durch die Göttinger Bevölkerung und alle Gewerkschaften. Diese Kundgebung und fast 10 000 Unterschriften zeigen, dass die Bereitschaft zur Solidarität vorhanden ist.

Aber was geschieht, wenn die Geschäftsleitung dennoch an ihren Kahlschlag festhält, nur um trotz guter Umsätze noch mehr Gewinne einzufahren und Weltmarktanteile auszubauen, wie es vor einigen Tagen im Göttinger Tageblatt angekündigt wurde?

Unser Jugendverband und der Göttinger Kreisverband der LINKEN begrüßt, dass die IG Metall in der Presse für diesen Fall weitergehende Kampfmaßnahmen und Arbeitsniederlegungen angekündigt hat. Der Streik bleibt das wichtigste Recht und die wirksamste Waffe der Gewerkschaften gegen Unternehmerwillkür. Dafür haben die Gewerkschaftsmitglieder jahrelang ihre Beiträge eingezahlt, dafür müssen sie jetzt auch genutzt werden, wenn nicht nur Hunderte von Stellen, sondern die Zukunft von Zeiss-Göttingen insgesamt auf dem Spiel stehen!

Der Zeiss-Betriebsratsvorsitzende Torsten Dreyer hat gegenüber der LINKEN erklärt, dass Verhandlungen mit der Geschäftsführung über einen Sozialplan nicht auf der Grundlage dieser Kahlschlagpläne und erst nach solchen Kampfmaßnahmen stattfinden können. Durch ein Ja zum Arbeitsplatzabbau nach der bekannten Salami-Taktik kann Zeiss in Göttingen nicht gerettet werden.

Nach dieser Kundgebung werden die IGMetaller bei Zeiss in einer Mitgliederversammlung selbst entscheiden, welche Kampfmaßnahmen sie zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze für notwendig halten. Wir werden sie dabei ebenso unterstützen wie beim Streik der KollegInnen im Sozial- und Erziehungsdienst.

Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren!

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit!

Wohnen. Bleiben. Fluchtursachen bekämpfen. Die Reichen sollen zahlen!

Hier einmal der Aufruf, auf den wir uns schön öfter bezogen dokumentiert: Es würde uns freuen, wenn sich weitere Gruppen und Initiativen in unserer Umgebung anschließen würden:

Aufruf der Revolutionären Linken, beschlossen am 26. September in Dortmund
Hunderttausende Menschen fliehen vor Krieg, Armut und Verfolgung nach Deutschland. Hier
angekommen, werden sie in Massenunterkünfte gepfercht und ungenügend versorgt. Die
Bundesregierung redet von Willkommenskultur, bereitet aber schnellere Abschiebungen vor und
befördert weiterhin Fluchtursachen. Indem sie Sozialleistungen kürzt und Geflüchtete gegen Hier
Lebende ausspielt, bereitet sie Spaltung vor. Wir müssen angesichts der wachsenden Polarisierung
aktiv werden! Mit der Kampagne Wohnen. Bleiben. Fluchtursachen bekämpfen. zeigen wir
Perspektiven für einen gemeinsamen Kampf für Wohnraum, gleiche Rechte und eine Bekämpfung
von Fluchtursachen auf. Gemeinsam kämpfen wir für:

Wohnen!
• Dezentrale Wohnungen und registrierungsfreie Notunterkünfte für Geflüchtete!
Schutzräume für Frauen! Solange aus logistischen Gründen zentrale Anlaufstellen
unvermeidlich sind, müssen alle damit verbundenen Aufgaben in öffentliche Hand.
• Sofortiger Neubau und günstige Vermietung von 250.000 fehlenden Wohnungen durch ein
vom Bund finanziertes 40-Milliarden-Euro Sofortprogramm.
• Leerstehenden Wohn-, Büro- und Gewerberaum aufdecken, beschlagnahmen und
umwandeln! Bezahlbarer Wohnraum für Alle!

Bleiben!
• Nein zur weiteren Verschärfung des Asylrechts! Nein zu Abschiebungen! Bleiberecht für
Alle!
• Gegen die Unterteilung in Wirtschafts- und Kriegsflüchtlinge! Alle Fluchtursachen
anerkennen!
• Einstellung von ausreichend qualifiziertem und tariflich bezahltem Personal zur Betreuung
und Versorgung von Geflüchteten; kein Einsatz der Bundeswehr; keine Hürden für
Ehrenamtliche!
• Keine Festung Europa: Frontex abschaffen, legale Einreisen ermöglichen!
• Gleiche Rechte, Wohnraum, Arbeit, Soziales und Zugang zu Bildung für Alle hier lebenden
Menschen und für alle Geflüchteten! Kein Mensch ist illegal!
Fluchtursachen bekämpfen!
• Sofortige Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr!
• Nein zu allen Waffenexporten, Rüstungskonzerne enteignen und auf zivile Produktion unter
demokratischer Kontrolle der Belegschaften und der Gesellschaft umstellen!
• Schluss mit der wirtschaftlichen Ausbeutung anderer Länder: Nein zu allen
Freihandelsabkommen, Privatisierungs- und Kürzungspolitik von EU, IWF und Weltbank!

Die Reichen sollen zahlen!
• Als sofortige Maßnahme: 25-prozentige Zwangsabgabe für alle Milliardäre zur
Finanzierung aller nötigen Kosten (brächte 170 Mrd. Euro).
• Für die Einführung einer 10-prozentigen Millionärssteuer auf Vermögen.
Unterstütze die Kampagne Wohnen. Bleiben. Fluchtursachen bekämpfen., koordiniert vom
Bundesarbeitskreis Revolutionäre Linke in der linksjugend [’solid]. Organisiere Aktionen gegen
Fluchtverursacher, decke Leerstand in deiner Stadt auf und kämpfe gegen Verschlechterungen für
Geflüchtete. Verbreite Flugblätter und organisiere Veranstaltungen. Aktiviere und organisiere mehr
Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Gemeinsam können wir Rassismus stoppen!